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Picardie

Die Picardie ist ein seltsamer Landstrich. Er hat fast nur innerfranzösische Grenzen, liegt aber im äußersten Norden der Republik. Lediglich ein Zipfel grenzt im Osten an Belgien, auf der anderen Seite trifft die Picardie auf die See – das jedoch nicht mit Stränden oder Klippen oder alten Bädern oder großen Häfen, im Wesentlichen besteht der picardische Zugang zum Meer aus der Bucht der Somme, die eigentlich eine Flussmündung ist (jene der Somme in den Ärmelkanal), ganz genau aber ein Ästuar, eine Flussmündung, die stark von den Gezeiten geprägt ist und in einigen Aspekten Orten an der deutschen Bucht nicht unähnlich ist.

Es gibt Salzwiesen, wattähnlichen Schlick, auch die höchsten Erhebungen sind geradezu lächerlich niedrig, Robben machen es sich auf Sandbänken gemütlich, die Städte sind alt, tragen aber nicht die berühmtesten Namen und wer sich in die Picardie verliebt, der sucht die Stille, die klare Luft und den weiten Blick.

Man trinkt Wein und Bier in der Picardie und baut auch ziemlich guten an, braut auch ziemlich gutes. Man hat eine eigene deftige, stark vom Flämischen inspirierte Küche. Es gibt Eintopf, in Bier geschmortes Fleisch, Fisch, Salzwiesenlämmer, die Ficelle Picarde (Pfannkuchen mit Schinken und Pilzen), Aale aus der Somme und das nahrhafte Gemüse aus den Hortillonages, einer von Kanälen durchzogenen Agrarlandschaft vor Amiens (die schwimmenden Gärten …).

Das touristisch sicher reizvollste Gebiet ist die Bucht der Somme, die kleinen und mittelgroßen Städte wie Saint-Quentin, Beauvais und Laon tragen einige der wichtigsten gotischen Bauwerke als Schätze in sich.

Der Chor der Kathedrale von Beauvais ist das höchste Kirchengewölbe der Welt – und das glaubt man sofort, wenn man zwischen den Stuhlreihen steht und den Kopf in den Nacken legt. Mit diesem Bau, dessen Planung im 13. Jahrhundert begann, erreichten die Architekten der Zeit eine gewisse Grenze der Vernunft, vielleicht eher des Machbaren. Schön und gut, man wollte Gott besondere Ehre erweisen, riskierte aber enorme Unfälle, die hier auch passierten und stieß längst auch finanziell an ein Limit, schließlich mussten die Geldgeber und Herrscher auch noch Kriege führen und konnten sich nicht komplett dem Jenseits widmen.

Picardie

Picardie ©iStockphoto/Ann Taylor-Hughes

Die Franken lebten hier oben zunächst, in der Picardie erreichten sie das heutige Frankreich, bevor sie sprachlich und kulturell in dem Land aufgingen, ihren Namen jedoch sehr prominent zu platzieren vermochten. Noch im späten ersten Jahrtausend wurde das etwas erhöht über der Picardie gelegene Laon eine Weile zu einem wichtigen Machtzentrum Europas, die im 12. Jahrhundert gebaute gotische Kathedrale Notre-Dame de Laon gilt heute als für die sakrale Baukunst entscheidender Meilenstein.

Dieses Bauwerk inspirierte nicht nur die französischen, sondern auch britische und östlich verwurzelte Bauherrn, in kurzer Zeit baute man in der Picardie mehrere solcher Kirchen und setzte vermutlich damit den größten Trend, der je von dieser Region als Impuls ausgegangen ist. Ein Schatz in Laon sind auch noch eine alte Templerkirche und die lange Stadtmauer.

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