Mit dem Wohnmobil durch Frankreich – Teil 1
Endlich wieder raus in die Freiheit. Das Wohnmobil ist bereits gepackt, es ist der 2. Oktober und eigentlich soll es noch mal ab in den warmen Süden gehen…wenn da nicht die Verabredung mit ein paar neu kennen gelernten Wohnmobilfreunden wäre…Treffen in Limburg an der Lahn…Ohne uns? Nein, da müssen wir auch noch vorher hin!
Wir haben uns in diesem Jahr mit einigen von ihnen schon mehrmals getroffen, nach einem so genannten blind-date in Koblenz am 1. Mai. Kontakt haben wir über wkw aufgenommen. Es war immer sehr lustig. Diesmal sollte es der „Jahresabschluss“ sein. Mal sehen, wie es ist, vielleicht eine Nacht? Höchstens aber zwei…
Aber dann kommt doch alles ganz anders als man denkt: Es ist eine super nette Gesellschaft, es wird viel gelacht, gegessen und getrunken. Trotz nur 3°C über Null sitzen wir – todesmutig – draußen. Wir sind doch Camper! Zum Glück hat aber jemand mitgedacht und einen großen Pavillon mit zwei Heizöfchen mitgebracht…Kuschelig warm! – Wenn man vor den Öfchen sitzt…
Und dann werden es doch drei Nächte. Aber es ist einfach, trotz Kälte, schön in der Gesellschaft von Wohnmobil-Liebhabern!
Aber Frankreich ruft, und so starten wir am Sonntagmorgen, nach einem ausgedehnten Frühstück, Richtung Süden. Zuvor allerdings wird noch panikartig der Pavillon abgebaut, denn es beginnt zu regnen, und schließlich will man ja dieses Riesenmonster nicht daheim irgendwie „trocken blasen“.
Endlich geschafft, geht es durch strömenden Regen aber mit großer Vorfreude im Gepäck auf die deutsche Autobahn Richtung Basel. Man ist das langweilig! Immer nur Regen, Regen, Regen…Immer nur Autobahn, rasende Pkws…hoffentlich beginnen bald das schöne Wetter und die interessanten Landschaften.
Zwischendurch wird der obligatorische Halt gemacht um den Hund rauszuführen, sich die Beine zu vertreten, was zu essen – denn schließlich hat man ja ein Wohnmobil! – aber irgendwie zieht es uns immer wieder dahin, schnell weiter zu fahren.
Basel – Bern – Genf – Grenoble…man ist das schön, so ganz ohne Grenzkontrollen. Wenn ich da noch an früher denke! – Eigentlich wollten wir ja schon in der Schweiz anhalten und dort irgendwo übernachten…und dunkel wird es auch schon langsam. Und so fahren wir nun hinter Grenoble einen ziemlich verlassenen Parkplatz an, denn vor uns biegt ein Wohnmobil ebenfalls dort ein. Wir sind also nicht alleine beim Schlafen!? Denn irgendwie spielt immer wieder die Angst mit … wo man doch so viel hört, sieht und liest!? Und außerdem sind wir ja selbst schon zweimal ausgeraubt bzw. überfallen worden…aber das ist lange her…und dennoch…Also: Kaffe gekocht, Kartoffelsalat und Würstchen rausgeholt und gemütlich gegessen. Was ist das? Das andere Wohnmobil fährt wieder, hat wohl auch nur gegessen? Es ist nun schon dunkel, aber ich möchte noch weiter. Zähneknirschend gibt mein Mann nach.
Wir fahren von der Autobahn ab. Plötzlich ein kleinerer Aufschrei meines Mannes: Da neben der Straße steht ein Wildschwein! Wer ist wohl mehr erschrocken? Das Tier oder wir? – Eine Minute später und wir hätten es evtl. erwischt?! – Ich denke, nun sollten wir aber wirklich einen Übernachtungsplatz finden. Aber irgendwie ist nichts recht: nicht groß genug oder zu laut, zu abgelegen oder zu klein, oder, oder, oder…
Es ist nun bereits 24.30 Uhr und ich werde doch allmählich ein wenig müde. Wir kommen durch Serres in den Hautes Alpes – ein Ort, wo wir schon mehrfach übernachtet haben. Also tun wir das wieder. Wir stellen uns mitten im Ort auf den Parkplatz. Stehen da nicht noch zwei Wohnmobile? Aber die scheinen schon zu schlafen. Schnell noch den Hund raus gelassen und ab in die Betten. Welch ein herrlicher Tag. Wir reden noch einmal kurz darüber, wie es war, als wir im Frühjahr desselben Jahres dort lang gefahren sind und im Tiefschnee gelandet waren. Mensch, hatten wir da Angst ausgestanden: Jede Menge Schnee, nur Sommerreifen, liegen gebliebene Autos, kein Räumdienst und die erste Fahrt mit diesem für uns neuen Wohnmobil. Aber nun ist es anders: Kein Schnee und alles ging glatt. Bis vielleicht auf das Wildschwein…Aber warm ist es auch nicht gerade. Das Thermometer zeigt 4°C Außentemperatur. Aber wir sind ja aus Limburg Schlimmeres gewohnt!?
Frisch ausgeschlafen stehen wir am Morgen auf: Strahlender Sonnenschein, französisches Leben um uns herum. Endlich sind wir angekommen, angekommen in UNSEREM Frankreich, das wir beide so lieben. –
Während mein Mann ein paar Schritte mit dem Hund geht, mache ich die Betten und schminke mich bzw. ziehe mich an. Dann geht es ab in das gegenüber gelegene Café, welches wir eigentlich regelmäßig auf unseren letzten Touren besucht haben: Croissons mit Café Noir, unser obligatorisches Frühstück hier. Welch ein Leben! Man hat den Eindruck, hier habe es keiner eilig, keiner habe Stress. Männer sitzen an der Bar und trinken ihren Kaffee, die Besucher lesen Zeitung, Studenten und Schüler diskutieren und der Fernseher läuft. Vive la France!
Weiter geht es die herrliche Route Napoléon (N 85) über den Côle du St. Croix (über 11oom hoch). Traumhaft: Schluchten, Serpentinen, verträumte Ortschaften – eben Frankreich – Frankreich so wie wir es lieben.
Gegen Mittag kommen wir an unser erstes Ziel an: Castellane am Verdon. – Castellane, ein herrlicher – um diese Jahreszeit recht touristenloser – Ort am Eingang der Verdonschlucht. Der Ort ist wunderschön. Er liegt vor einem steil aufragenden, schroffen Felsen mit einer kleinen Kirche darauf. Im Ortsinneren sind zahlreiche Platanen, Cafés, Bistros und herrlich alte Häuser zu bewundern. Eine schöne alte Kirche ziert den Marktplatz.
Hier gibt es einen wunderbaren Stellplatz direkt am Ortsrand am herrlichen, glasklaren Verdon gelegen. Für 5,-€ die Nacht kann man direkt am Fluss stehen, wandern oder einfach nur relaxen. Unser Blick aus dem Wohnmobil fällt zur einen Seite direkt aufs Wasser, zur anderen erblicken wir eine uralte römische Brücke sowie den Felsen mit der Kirche Notre Dame du Roc. Und abends ist alles herrlich beleuchtet. Und was besonders toll ist: Es gibt Sonne pur!
Zunächst einmal gehen wir „eine Runde“ mit dem Hund. Traumhafte Landschaft! Und was erblicken wir da – fast mitten in der „Wildnis“? Ein Traum von einem Haus, ganz alleine gelegen mit herrlichem Blick…doch nein, keine Franzosen wohnen hier: Ein holländisches Auto steht davor…Wieder einmal kommt in uns der Traum vom Auswandern hoch. Wenn man doch nicht nur zu feige dafür wäre!
Eine kurze Rast und ein Kaffee am Platz, dann wollen wir in den Ort gehen und uns etwas zum Abendbrot einkaufen, aber – wie immer haben wir vergessen, dass ja Montags die meisten Geschäfte in Frankreich Nachmittags geschlossen sind – heute ist also „Reste-Essen“ angesagt. Eine „einsame“ Bäckerei ist geöffnet. Hinter dem Tresen steht eine etwas muffelige alte Französin, der ich nicht mal mit meinen Französischkenntnissen imponieren kann. Selten sieht man solch mürrischen Franzosen, aber sie gehört wohl auch noch zu der Generation, die den Krieg miterleben musste – und Castellane schien damals ziemlich „gefragt“ gewesen zu sein…Also kaufen wir noch zwei Stückchen zu überteuerten Preisen für uns, um vor dem Wohnmobil mit Blick auf den herrlichen Verdon und sein bergiges Hinterland unseren Kaffee genießen zu können. Warm genug ist es ja: Wir sitzen kurzärmelig draußen! – Und das, wo wir doch noch vor nur zwei Tagen in dicken Winterklamotten in Deutschland gefroren hatten. Ja, auch das ist eben Frankreich!
Zum Glück befinden sich in unserem Wohnmobil immer eine gute Flasche Rotwein sowie Nudeln und Soße. Also heißt es kochen und essen was da ist. Aber das macht ja den Reiz des Wohnmobilurlaubes aus: Spontan sein – sich zu helfen wissen! – Gemeinsam genießen wir in unserem Wohnmobil bei Einbruch der Dunkelheit unser Abendessen. Hier in Frankreich schmecken die Aldi-Nudeln eben doch besser als daheim!
Nach dem Abendbrot geht es zu einem Verdauungsspaziergang in den wunderschönen Ort, der um diese Jahreszeit fast wie ausgestorben ist.
Dienstag um 9.00 Uhr geht es raus aus den Federn. Wir haben – wie immer im Wohnmobil – herrlich geschlafen. Zunächst einmal gehe ich – voller Elan – mit Julie, unserer französischen Bordercollie-Hündin spazieren. Die Gegend bietet sich ja an: Hundefreundlich ist direkt neben dem Stellplatz ein herrlicher Spazierweg, auf dem ich viele andere Hundebesitzer – wohl auch Wohnmobilisten? – mit ihren Vierbeinern treffe. Derweil startet mein Mann den Versuch, Wasser für den Kaffee aufzusetzen. Ich mache gleich noch einen Umweg in den Ort zur nächstgelegenen Bäckerei um Petit Pains, Flûtes und Vanillekuchen zu kaufen. Lecker! Da läuft einem das Wasser im Mund zusammen. Und das alles bei strahlend blauem Himmel. In dieser Bäckerei begegnet mir dann auch endlich wieder die gewohnte Freundlichkeit der Franzosen. Zum Glück!
Wir frühstücken natürlich draußen und diskutieren darüber, ob wir weiterfahren oder bleiben sollen…Wir entscheiden uns fürs Bleiben. Also kommen erst die Pflichten und dann das Vergnügen: Chemietoilette entsorgen, Wasser auffüllen etc. Beim Wasserauffüllen machen wir Bekanntschaft mit einem Franzosen (?), der erstaunlicherweise gut deutsch spricht. Er steht ebenfalls auf diesem Platz. Es stellt sich aber heraus, dass er Holländer ist, seit Jahren in Frankreich in der Auvergne wohnt und viel mit dem Wohnmobil reist. Er und seine Frau verbringen die meiste Zeit des Jahres im Wohnmobil und touren durch Frankreich, Italien, Griechenland etc. Neid!!!
Mit dem Wohnmobil verlassen wir dann noch kurz den Platz um zum nahe gelegenen Supermarkt zu fahren und Vorräte einzukaufen. Dann endlich kommt das Vergnügen: Rucksack gepackt, Wanderstiefel angezogen und ab geht es zum Roc du Notre Dame. Gut, dass wir vorher nicht so recht wussten, was da an Strecke auf uns zukam! Zunächst einmal ging es entlang des herrlich klaren Flusses. Mein Mann war kaum davon loszureißen, denn sein „altes“ Anglerherz beobachtete voller Sehnsucht die wirklich riesigen Fische. Der Weg wurde immer steiler, immer felsiger. Es ist heiß – sehr heiß für diese Jahreszeit. Zum Glück haben wir genügend zum Trinken dabei. Ganz unverhofft stoßen wir auf ein paar Überreste eines alten Dorfes. Später erfahren wir, dass es sich dabei um das Dorf „Petra Castelana“ handelt, ein alter römischer Ort. Der Weg, den wir eingeschlagen haben, ist ein Passionsweg, doch leider sind einige der Stationen entfernt worden, zur Restauration, wie man auf Tafeln lesen konnte. Unterwegs treffen wir noch ein paar andere „Mutige“… alles Deutsche. Endlich – nach einigen Rasts, einem ausgedienten Zwischenmahl auf einer Bank sowie vielen herrlichen Stopps um den Ausblick zu genießen – kommen wir auf dem Gipfel an, wo die Chapelle Notre-Dame du Roc aus dem XIII. Jahrhundert auf uns wartet. Genau nebenan entdecken wir eine überlebensgroße Steinfigur – oder besser gesagt, deren Überreste. Zu erkennen ist nur noch das Unterteil einer – wahrscheinlich römischen – Dame. Kein Hinweisschild, keine Erklärung…das ist typisch französisch! Ich will unbedingt in die Kapelle, aber mein Mann meint, die sei ja sowieso geschlossen. Denkste! Offen, wie es bei uns in Deutschland an solch einem abgelegenen Ort mit derartigen „Schätzen“ wohl nie der Fall wäre. Staunend betrete ich – ehrfurchtsvoll – die Kapelle. Ich bin zwar evangelisch, aber mich begeistern immer wieder diese prunkvollen katholischen Bauten. Zudem muss ich an meine Mutter denken, die vor fast genau 8 Wochen gestorben ist. Mir kommen die Tränen, aber es hilft ja nichts. Ich lebe! Und zwar jetzt und hier, und das sollte ich genießen. Das tue ich auch! – Als ich diese herrliche Kirche von Innen fotografieren will, sind natürlich die Akkus leer…wie immer! Ich gehe erst mal vor die Tür, denn natürlich habe ich Ersatz-Akkus im Rucksack, den ich draußen bei meinem Mann gelassen habe. Mein Mann schmunzelt: Ich und meine Fotografiererei! Wieder im Inneren, werde ich versuchen, festzuhalten, was ich hier sehe: Prunkvolle christliche Dinge neben Dokumentationen aus den Kriegstagen…Wie sich das wohl vereinbart?
Wir nehmen noch einen Blick von oben mit, ehe wir uns wieder auf den Rückweg machen. Der Blick ist atemberaubend: Wir sehen genau auf unseren Stellplatz.
Zurück geht es auf einem anderen Weg, wir kommen durchs Dorf.
Nach ca. 3 Stunden sind wir wieder „daheim“: Glücklich und um viele Eindrücke reicher! Nun heißt es lesen, duschen, Kaffee trinken und die leckeren Vanillestückchen essen.
Am Abend gibt es „deutsche Bratkartoffeln“ (für meinen Mann gekocht, der Kartoffeln liebt!) mit Speck und Ei sowie französischem Salat.
Anschließend brechen wir noch auf zu einem Abendspaziergang. Ein aufgelöster Japaner – oder war es ein Chinese? – kommt Arme fuchtelnd auf uns zu. Was will der nur? Ich versteh kein Wort. Ist das etwa Englisch? Er packt mich am Arm, nimmt mich mit zum Eingangsschild, amüsiert sich königlich und meint:“ 500 €…it is very expensive?!“ …und lacht und lacht und lacht…Und siehe da, da steht wirklich: „500 € …24 heures…“ Wo war das Komma zwischen der 5 und den Nullen geblieben? Nein, 500 € die Nacht hätten wir uns wohl nicht leisten können, auch wenn wir Frankreich noch so lieben…
Wieder schliefen wir recht gut, nur einmal wurde ich wach und wunderte mich, wie ca.
20-30 cm Wasser so rauschen könnten, denn diese Wassertiefe hatte der Verdon an unserer Stelle ungefähr. Aber vielleicht war es ja doch etwas anderes? Ich war zu müde zum weiter nachdenken und schlief schnell wieder ein.
Als ich am Morgen erwachte und aus dem Alkovenfenster sah, bemerkte ich, dass der Verdon zu einem reißenden Fluss von einigen Metern Tiefe geworden war…Da hatte man wohl die Schleusen an der Staumauer geöffnet? Jetzt war mir auch klar, warum in der Nähe unseres Platzes ein Schild stand, das darauf hinwies, dass man den Fluss nicht überqueren dürfe, da das gefährlich sei…
Wir frühstückten und beschlossen abzureisen … der Himmel war bewölkt und wir wollten weiter an die Küste, in der Hoffnung dort wieder die Sonne zu sehen.
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