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Korsika

Korsika ist eine echte Trauminsel. René Goscinny und Albert Uderzo hatten ein Händchen dafür, Stimmungen einzufangen, Gesellschaften mit ihren sympathischen Spleens zu zeichnen und besonders gut ist es ihnen mit dem Heft Astérix en Corse gelungen: die alten Familienverbände, ein strenger Ehrbegriff, der Käse, der hier noch etwas mehr stinkt als sonst wo, die Wildschweine und Esskastanien, die Muße, der schwierig herzustellende, aber unbändige Wille zur Selbständigkeit, alles trifft auf das Inselvölkchen zu, das sich mindestens ab der Zeit der Römer besetzt fühlt und höchstens mal unter zwei Unterdrückern wählen konnte.

Korsika ist als geopolitischer Spielball recht interessant. Zwar haben ganz unterschiedliche Herrscher, also die Römer, die Genueser, Pisa, die Franzosen, die Engländer, sogar im Zweiten Weltkrieg die Deutschen mit den Italienern Anspruch auf die Insel erhoben, haben Befestigungen gebaut, Flotten und Soldaten stationiert, oft ging es aber darum, die große Insel zu besitzen, damit sie die Konkurrenz nicht hat.

Die Insel war immer eher Spielball als Machtfaktor, wurde nicht zur Handelsdrehscheibe oder einem industriellen Standort und so hat sich dort eine eigenwillige und wunderschöne Kultur bewahrt. Wer nach Korsika reist, begegnet allerhand Haustieren, weniger den berühmten kleinen Wildschweinen als Rindern, domestiziertem schwarzen Borstenvieh, Pferden, Ziegen- und Schafsherden, Hunden und vielen Katzen, die uneingezäunt und unangebunden und uneingepfercht über ihre Insel streifen.

Wer auf erdige, deftige Küche steht, auf fettige Fleischstücke, Kastanienbiere, schwere Käsesorten, schwere Weine, kräftige Schnäpse, der findet auf Korsika sein Schlaraffenland. Wer Bettenburgen und Flatrates irgendeiner Art sucht, kann auf Korsika lange suchen, die schroffe Landschaft zieht vor allen Dingen Abenteurer, Wanderer, Kletterer, Motorrad-, Fahrradfahrer und Wassersportler an. In den zum Teil weit über 2.000 Meter hohen Bergen gibt es sogar drei kleine Skigebiete.

Korsika

Korsika ©iStockphoto/Guillaume Dubé

Ajaccio, die Hauptstadt der Region, ist die Geburtsstadt Napoleons, eine Gründung von Besatzern, die sie auch befestigt haben. Corte im Landesinneren hingegen war in einer kurzen Phase gefühlter Unabhängigkeit im 18. Jahrhundert Hauptstadt der Insel. In der kleinen, ursprünglich von Mauren gegründeten Stadt schlägt das korsische Herz, hierhin ziehen Touristen, wenn sie das echte Korsika erleben wollen und hieran dachten auch wohl die Erfinder von Asterix, als sie ihn durch Kastanienwälder in das Landesinnere hinaufwandern ließen, um einen ehemaligen korsischen Gefangenen der Römer in sein Dorf zurück zu begleiten.

Der Ort mit gerade einmal sechs- oder siebentausend Einwohnern ist seit Anfang der 1980er Jahre wieder Universitätsstadt, der korsische Unabhängigkeitskämpfer Pascal Paoli hatte hier 200 Jahre zuvor für wenige Jahre eine Lehranstalt gegründet, die heute wieder mit einem geradezu phantastischen Studenten-Mitarbeiter-Verhältnis etabliert ist. Corte liegt in einer spektakulären Landschaft, gleich an zwei Gebirgsflüssen, man kann hier allerhand Naturabenteuer erleben, das beeindruckenste Fotomotiv ist sicher die alte Zitadelle, die extrem riskant gebaut sämtlichen physischen Gesetzen trotzend über der Stadt hängt.

Seitdem Prosper Mérimée, ein Pariser Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, sich allzu euphorisch über Sartène im Süden der Insel geäußert hat, gilt dieser kleine Ort als korsischste aller Städte. Sartène ist hübsch, von einer eher rustikalen Schönheit und das dürfte der Poet auch gemeint haben, zu dessen Zeit hier in Sartène noch äußerst raue Sitten herrschten. Die passen irgendwie zu Korsika, wo die Beschäftigung mit Sklaverei und Entrechtung bis ins nie ganz entschlüsselten Wappen reicht und wo man Jesus bei Karfreitagsprozessionen nicht nur sein schweres Kreuz auf dasselbe legt, sondern seinen Füßen auch noch schwere Ketten aufbürdet.

Südlicher als Sartène liegt die Stadt Bonifacio spektakulär auf steilen Klippen, mit einem großen Naturhafen und großartigen Grotten in direkter Nachbarschaft ist diese Stadt nicht der verkehrteste Ort, um die Entdeckung Korsikas zu beginnen.

Auf der gegenüberliegenden Seite, im äußersten Nordwesten, liegt Calvi, die noble Seite der Inselmedaille. Wer die Rustikalität zwar sucht, abends aber ein schickes Restaurant, einen sicheren Ankerplatz, sanitären Luxus finden möchte, ist hier richtig. Es kommt nicht von ungefähr, dass Calvi die kürzeste Entfernung Korsikas zu Nizza hat, eine gewisse Verwandtschaft im Geiste ist nicht zu verkennen.

Die berühmteste Ortschaft Korsikas bleibt Bastia. Wäre Prosper Mérimée ein Kind des 20. Jahrhunderts, hätte er sich wohl für das wirtschaftliche Zentrum der Insel im Nordosten Korsikas entschieden. Hier wird nämlich gelebt, die Stadt ist eine wirkliche Stadt und nicht eine uralte Stadtgründung in Dorfgröße, hier landen die meisten Fähren an, hier ist der wichtigste Bahnhof der Insel (auf Korsika wird noch Bimmelbahn gefahren), hier gibt es richtigen Feierabendverkehr, enge Gassen und hier geht – zumindest im Sommer – auch nachts die Post ab.

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